Nur "Facelift" oder mehr? Die OM-1 Mark II.
Was bringt die neue Version?
Kontext
Ziemlich genau zwei Jahre nach der "WOW" Kamera, dem Flaggschiff von OM SYSTEM, der OM-1 kommt nun die OM-1 Mark II, also wie der Name schon sagt, keine komplett neue Kamera, sondern eine verbesserte Version des Flaggschiffs.
Wie immer wurde in den einschlägigen Gerüchteküchen von allerhand Grossartigem spekuliert, wie Global Shutter, Fotografie völlig neu gedacht etc. All das weckt Begehrlichkeiten, die dann am Schluss dazu führen, dass bei einem soliden Produkt-Update der Shit storm loswütet. So wird es vermutlich auch hier passieren...
Ich betrachte es als Anwender aus meiner persönlichen Perspektive so nüchtern wie möglich, lass mich nicht von Marketing Tamtam und "Rumors" verrückt machen und freue mich über Verbesserungen, wenn ich sie als Fotograf mit Schwerpunkt Tier-, Vogel- und Landschaftsfotografie mit gelegentlichen Ausflügen in die Makrowelt denn als solche auch wahrnehme. Und genau so sollte jeder Leser meinen Testbericht betrachten und seine Schlüsse daraus ziehen.
Natürlich habe ich als Ambassador den Vorteil das Equipment vor Markteinführung zu testen und das tat ich von Dezember bis Ende Januar dann auch unter den Bedingungen, die im Winter in meiner Heimatregion Brandenburg so möglich sind. Zudem hatte ich zur neuen Kamera auch gleich das neue M.ZUIKO DIGITAL ED 150-600mm F5-6,3 IS bekommen und sollte es ebenso testen. Sicherlich eine Überraschung, denn damit hat vermutlich niemand gerechnet. Den Test zu diesem interessanten Teleobjektiv findet ihr hier:
Beim Test der OM-1 Mark II werde ich nur auf die Veränderungen, bzw. neuen Funktionen eingehen. Alle Funktionen, die die OM-1 bereits hatte, könnt ihr hier nachlesen:
Was verspricht das Marketing?
OM SYSTEM hat im Herbst 2023 ihre neue Marketing Purpose Strategie veröffentlicht und unter dem Japanischen Philosophie-Begriff "Kacho Fugetsu" (Die vier Elemente Blume, Vogel, Wind, Mond) ihre klare Fokussierung auf das Erleben der Natur in den vier Bereichen Vögel, Wildtiere, Landschaft und Makro zum Ausdruck gebracht.
Auf diesen Fokus soll auch die Produktentwicklung ausgerichtet sein.
Mit der OM-1 Mark II wird deshalb nicht nur der Schriftzug auf der Kamera von OLYMPUS nach OM SYSTEM geändert, sondern es kommen Verbesserungen und neue Funktionen, die genau diesen vier Bereichen dienen sollen.
Vogel- und Wildtiere
Landschaften
Makro
Mal schauen, wie sich das in der Praxis auswirkt und wie die Funktionen im Vergleich zur Vorgängerkamera wirken. Ich habe Kamera und das neue Objektiv vor allem für meine Leidenschaft, der Vogelfotografie getestet. Dazu machte ich mich mit einem Kollegen auf nach Mecklenburg-Vorpommern, um die scheuen Singschwäne zu beobachten und zu fotografieren.
Funktionsübersicht
Grün markiert ist wirklich NEU und rot markiert sind die Verbesserungen gegenüber dem Vorgängermodell.
Erster Eindruck
Nachdem ich die Kamera auspackte und mir die Beschreibungen angeschaut hatte war klar, dass es sich um einen Facelift handelt, der mit Ausnahme der mechanischen Kamerabeschriftung im Wesentlichen eine Firmware-Optimierung darstellt. Vermutlich wurde auch ein Bisschen mehr Speicher eingebaut, um die Performance zu steigern.
Ganz nüchtern betrachtet eigentlich kein Grund, ein neues Body zu definieren und Kunden zu zwingen, wegen mehr Firmware neue Hardware zu kaufen. Das mag ich eigentlich nicht, denn diese Strategie verfolgen die anderen Hersteller alle seit Jahren und das finde ich im Bezug auf Nachhaltigkeit und Kundenorientierung eher kontraproduktiv.
Mir scheint, dass OM SYSTEM damit ihrer Verpflichtung nachkommt, den Namen OLYMPUS nun ganz hinter sich zu lassen und ein Bisschen zusätzliche Anreize für den Kauf eines neuen Bodies zu schaffen.
Wenigstens kann ich die Akkus und auch den Handgriff HLD10 direkt weiter nutzen. Das ist schonmal positiv, denn das hab ich auch schon anders erlebt bei Mark x Updates der bekannten Marken.
Beim ersten Einsatz am Tele änderte sich meine innere Haltung dann aber wieder, denn die Verbesserungen sind schon deutlich zu merken. Vor allem, wenn man viel mit AI Bird Detection C-AF arbeitet. Das ist erstaunlich, da ich mit der Funktionalität in der OM-1 schon begeistert war. Offensichtlich geht deutlich mehr.
Als ich dann das erste mal den digitalen Grauverlauffilter ausprobierte habe, war ich überzeugt, dass die Mark II ein guter Nachfolger wird. Den GND Filter digital zu realisieren empfinde ich als echte Innovation. Das schau ich mir noch genauer an.
Zu guter letzt hat OM SYSTEM auf uns Anwender gehört und eine ganze Anzahl an Firmware- und Bedienungsanpassungen realisiert, die wirklich gut sind. Als Beispiel ist hier zu nennen, dass man nun im Standard-Menü die AI Detektionsart ändern kann und es möglich ist, die Tasten so zu belegen, dass echte Rechte-Hand-Bedienung möglich wird, ohne die Kamera vom Auge zu nehmen. Das ist aber dann schon was für Spezialisten, wenn es hektisch wird.
Widmen wir uns im Test deshalb den beiden veränderten Hauptthemen Autofokus und GND Filter. Alles Andere kann man in meinem Test der OM-1 nachlesen mit der Prämisse, dass die Geschwindigkeiten/Leistungen insgesamt etwas besser geworden sind.
Das AF-System
Der C-AF hat deutlich zugelegt. Vor allem bei der AI Detection für Vögel und Tiere (Hunde/Katzen). Es kam auch eine Menschenerkennung dazu, die ich aber nicht testete.
Interessant ist, dass sich das Konzept etwas geändert hat. Es gibt das "Tracking" nicht mehr mit der AI Motiverkennung zum auswählen. Stattdessen kann man ein erkanntes Motiv "locked" schalten. Das wird dann verfolgt. Bei mehreren Tieren, die mit der Bird-Detection erkannt werden kann die Priorität für das bevorzugte Tier ausgewählt und "gelocked" werden. Das braucht etwas Übung, ist aber überaus wirksam und eine echte Verbesserung, wenn man Tiere einzeln oder gerade auch in Gruppen beobachtet und fotografiert. Die OM-1 hat bei der Verfolgung sehr viel häufiger das Objekt verloren (zwar schnell wieder gefunden), aber dennoch ein gewisses Handicap. Die sehr viel bessere "Haftung" am Objekt war u.A. bei den Singschwänen sehr hilfreich.
Ich finde die konzeptionelle Änderung an dieser Stelle hervorragend und war mit den Bildergebnissen überaus zufrieden.
Hier ein kurzes Video zur Anwendung des C-AF Tracking mit dem Detection-Lock
Ein weiterer Aspekt ist, wie gut AI Bird-Detection funktioniert, wenn das Motiv etwas verdeckt ist oder der Hintergrund sehr unruhig, bzw. kontrastreich ist. Auch hier hat meiner Ansicht nach ein erheblicher Schritt nach vorne stattgefunden. Ich habe die C-AF Empfindlichkeit auf +1 eingestellt. Bei den verschiedenen Tests, z.B. mit den quirligen Meisen, Wintergoldhähnchen oder Schwanzmeisen bin ich beeindruckt, wie die Tiere auch im Gebüsch leicht verdeckt gut erfasst werden. Das hat zwar seine Grenzen, ist aber deutlich besser geworden.
Beispiele mit leicht verdeckten Motiven. Eine Herausforderung für jedes AF-System.
Auch die Geschwindigkeit ist für mein Empfinden gegenüber der OM-1 besser geworden. Hier zwei Beispiele, wo es sehr schnell gehen muss. Meine Trefferquote war selbst bei weniger Licht zufriedenstellend hoch. Mit KB-Equivalent von 800mm bzw. 1000mm und Freihand ist das nicht schlecht!
Auch die Animal Detection funktioniert zuverlässig, selbst bei sehr wenig Licht, wie bei diesem Fuchs vor Sonnenaufgang. Das geht nicht nur bei Hunden und Katzen, sondern bei allen Tieren mit vier Beinen. Das muss ich aber noch mehr testen.
Also zusammenfassend kann ich sagen, dass der AF und die AI Bird Detection nicht nur richtig viel zugelegt hat, sondern auch wirklich all meinen Ansprüchen genügt.
GND-Filter
Eine echte Innovation ist hingegen der digitale Grauverlauf-Filter, der zusätzlich zum Neutral-Graufilter zur Verfügung steht. Ist zwar nicht so wichtig für die Vogelfotografie, wenn man aber auch Landschaften fotografiert, dann ist das schon wirklich praktisch.
Zum einen kann nun das LEE Filterset zuhause bleiben und besser noch, ich habe bei schlechten Wetterbedingungen nicht mehr die Mühe mit beschlagenen oder bespritzten Filterscheiben. Sicher ist das nicht die ultimative Lösung, aber für meine Ansprüche "on the move" echt klasse.
Den Grauverlauf kann man mit 1EV, 2EV und 3EV einstellen (entspricht ND 0.3, 0.6 und 0.9) und hat die Möglichkeit, Soft, Medium und Hard als Übergang zu wählen. Man hat also theoretisch den Ersatz für 9 Filterscheiben dabei. Mit dem Joystick lässt sich der Mittelpunkt auf dem Display verschieben und mit einem der Drehräder der Winkel. Das reicht für alle Gegebenheiten.
Aufgrund der zeitlichen Limitierung bei meinen Tests, die den Fokus Vogelfotografie hatten und ich die letzten Wochen mehrheitlich auf dem platten Land unterwegs war, hab ich nur das Prinzip und einige Testbilder überprüft. Das hat mich soweit überzeugt, wenngleich ich das sicherlich noch intensiver probieren werde, wenn ich dieses Jahr extensiv Landschaften in Schottland fotografiere. Bei Wind und Salzluft ist das etwas, worauf ich mich freue, denn mit 1-2 Filterscheiben vor der Kamera ist das bisher immer ein Horror gewesen.
Wahrscheinlich berichte ich da nochmal extra.
Sonstiges
Ein paar Dinge, die mir in der kurzen Zeit noch aufgefallen sind hier kurz berichtet. Die Kamera hat in Details Verbesserungen erhalten, wie z.B. die 14 Bit Dynamik bei den HR-Bildern, einige Geschwindigkeitssteigerungen, einen weiteren ND-Filter mit ND128, also 7EV, Was schon nahe an den BigStopper kommt.
Die gummierten Drehräder sind eine Verbesserung, auch wenn ich das garnicht so sehr gemerkt habe, wenn ich ehrlich bin. Ich hatte mit denen der OM-1 auch nie Probleme, egal ob mit oder ohne Handschuhe. Vermutlich sind meine Finger einfach die Druckstellen der Riffelung gewohnt gewesen oder ich hab mehr Hornhaut an diesen Stellen...
Ich habe vor allem die erweiterte Bedienungsmöglichkeiten bei der Tastenprogrammierung als Benefit entdeckt, denn in der Vogelfotografie muss es sehr schnell gehen. So ist z.B. die AI Motiverkennung als eigene Taste zu belegen, auch die LOCK-Funktion wie oben beschrieben.
Display + Sucher
Display und Sucher sind schon bei der OM-1 super. Eine wichtige Verbesserung ist die deutlich verbesserte Blackout-Free sequential shooting Möglichkeit.
Ich mache häufig Bilder in der Verfolgung von fliegenden Vögeln. Wenn ich dabei dann mit langen Belichtungszeiten (1/15s ... 1/30s) mitziehe ist es wichtig, dass ich die Tiere sehe und bei Dauerfeuer von 15-20 Bildern/s im Blick behalten kann. Das geht jetzt so gut, dass die Ausbeute bei Mitziehern deutlich hoch ging. Stellt man z.B. im SH2-Mode auf 16,7 Bilder/s, sieht (und hört) man das Auslösen garnicht mehr. Das ist natürlich gefährlich ;-), denn man hat kein Gefühl mehr für die Anzahl der Bilder, die auf dem Speicher landen. Ich hatte dann auch meine wahre Freude bei den abfliegenden Singschwänen im Morgenlicht und bin guter Hoffnung, das ein oder andere Wettbewerbsbild dabei zu haben. Aber so entstehen dann in ein bis zwei Stunden auch locker 3000 Bilder, die man hinterher aussortieren darf.
Das sind zwar spezielle Bilder, aber meiner Ansicht nach muss eine Profikamera sowas eben auch ermöglichen.
Mein Fazit zur OM-1 Mark II
Kurz zusammengefasst nach ca. 4 Wochen Test und vier intensiven Tagen bei den Singschwänen in Anklam:
Das ist zwar im Wesentlichen ein Facelift, aber ein wirklich gelungener und ich will dieses Body nicht mehr hergeben, denn für Naturfotografie und vor allem für die Vogelfotografie bietet es so deutliche Verbesserungen, dass sich die Anschaffung zumindest für die Leute lohnt, die ambitioniert und leidenschaftlich Vögel fotografieren und für diejenigen, die jetzt von einem der älteren Modelle umsteigen wollen.
Ich weiss, dass es viel Shitstorm gibt.... kein neuer Sensor, kein Global Shutter, nur Firmware-Update etc.... Leute: Es zählen die Bilder, nicht die Sprüche.
Ich mag die OM-1 Mark II und in Kombination mit dem neuen OM 150-600 f5.0-6.3 IS. Das ist meiner Ansicht nach tatsächlich ein ideales System für Ornithologen und Leute, die gerne mit leichtem Gepäck und professioneller Kamera draussen unterwegs sind.
Andreas Geh
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