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Faszination Macro - Praxistest

Aktualisiert: 5. Nov. 2023

Das neue OM 90mm F3.5 Macro IS PRO im Alltags-Einsatz

Blutrote Raubameise (Formica sanguinea) - OM-1 + OM 90mm F3.5, 1/500 Sec., F5.0, ISO 800, Freihand

Genauer gesagt, das Anfang 2023 vorgestellte M.ZUIKO DIGITAL ED 90mm Macro IS PRO Objektiv von OM-SYSTEM (ehemals Olympus).


Wie immer: Vorab ein Wort zur Klärung


Es handelt sich hier um meine Meinung, meine subjektive Wahrnehmung und ich konzentriere mich beim Test auf Aspekte, die ich als Naturfotograf für wichtig halte. Ich lass die Schlacht mit Kennzahlen weitgehend weg. Es geht also um einen Praxistest.


OM-DS gab mir dieses Objektiv Ende Januar 2023 zum Testen und ich habe das Teil nun ca. 5 Monate in unterschiedlichen Situationen in Panama, Arizona, der Sächsischen Schweiz, dem Allgäu und rund um mein Haus in Brandenburg am Rande von Berlin ausprobiert. Relativ schnell war klar, dass ich mir das Objektiv auch kaufe, obwohl ich eigentlich kein Vollblut-Macro-Spezialist bin wie manche Fotografen, die ich kenne und die mit viel Akribie, Geduld, einem Haufen Ausrüstung schier unglaubliche Bilder aus Hunderten Aufnahmen zusammenbauen.


Lest weiter, wenn euch interessiert, warum ich dieses Objektiv seit März als nunmehr 4. Objektiv ständig in meinem Rucksack dabei habe.

Macro als Erweiterung meines Horizonts

Ich bin Naturfotograf. Alle, die mich kennen, wissen, dass mein Herz besonders für die Vogel-, Tier- und Landschaftsfotografie schlägt. Warum jetzt plötzlich Macro? Naja, eigentlich ist meine Leidenschaft die Natur und da ist es halt immer wieder faszinierend mal genauer hinzuschauen. So habe ich auch schon seit ich fotografiere immer Macro-Objektive besessen und von Zeit zu Zeit genutzt. Sei es um Frühblüher am Waldboden zu fotografieren, oder Insekten und Schmetterlingen nachzustellen bis hin zu Details von Strukturen in Bäumen oder Pflanzen.


Eine ganz eigene Welt und, wie viele meinen, was für Spezialisten, die am liebsten ohne viel Bewegung um ihr Haus herum in diese technisch anspruchsvolle Faszination eintauchen.


Meine Herangehensweise

Ich fotografiere am liebsten mobil, auf Wanderungen, in der Wildnis und möglichst ohne Stativ und viel Tamtam... Mein Fokus ist und bleibt die Tier- und Landschaftsfotografie. Aber manchmal möchte ich eben auch die kleinen Tiere und Macro-Landschaften "mitnehmen", um damit meine Stories zu ergänzen.

Bild: Birgit Himmelsbach - Volle Ausrüstung...

So gibt es natürlich auch unterschiedliche Herangehensweisen. Die eine ist mit einem Rucksack voll umfangreicher Ausrüstung wie: Kamera, Stativ, Kreuzschlitten, Halteklammern, mehrere Blitze, Reflektoren, Diffusoren und endlos viel Geduld, um dann am PC in Photoshop, mit HeliconFocus oder ähnlichen Tools Stacking-Bilder zu erstellen.

Ich hab das zwar alles, aber nutze es nur in speziellen Projektsituationen relativ selten, wie z.B. bei meinem Projekt den Lebenszyklus des seltsamen Ameisen-Löwen zu fotografieren. Dann trage ich alles in einer Zusatztasche mit einem Gesamtgewicht von ca. 5Kg zu meiner Location.


Der zweite Ansatz ist für mich weit interessanter. Ich nehme auf meine Touren nur das Objektiv mit, einen Falt-Diffusor, ein kleines LED-Ringlicht zum Aufstecken und einen kleinen Falt-Reflektor. Die Stirnlampe hab ich sowieso im Rucksack und so macht das Equipment für Macro bei mir in Summe ein Zusatzgewicht von 1Kg aus. Natürlich sind die Anforderungen ans Objektiv auch anders, wenn man so unterwegs ist.

Bild: Jörg Ehrlich - An den Herkules-Säulen in der Sächsischen Schweiz

Mobiles Wunder - mit optimaler Brennweite!

Drum jetzt zum Objektiv. Das erste offizielle OM-SYSTEM Objektiv kam mir erst etwas wuchtig vor, denn ich bin das 60er Macro gewohnt gewesen, das schon immer wie ein "Spielzeug" aussah und in einer Ritze des Rucksacks immer Platz fand, obwohl es exzellente Bilder macht. Das 90er wiegt 450 Gramm und hat einen Gewindedurchmesser von 62mm. Damit wiegt es fast 2,5x soviel wie das 60er mit einer Offenblende von F3.5. Also muss deutlich viel mehr Technik drinstecken als einfach nur 50% mehr Brennweite.

Und das tut es auch.

Der grösste Unterschied zum 60er ist der eingebaute Bildstabilisator neuester Generation, einem superschnellen AF-Motor und die native Vergrösserung von 2:1, was bei MFT bedeutet, dass man ein Objekt von 9mm Länge bereits komplett bildfüllend auf den Sensor belichten kann. Das entspricht dann 4:1 bezogen auf Vollformat, was normalerweise nur mit speziellen Lupenobjektiven erreicht wird.

Gepaart mit der idealen Brennweite von 90mm (180mm Vollformat-Äquivalent) wird dieses Objektiv zum perfekten Werkzeug für die Fotografie von Insekten, denn die Naheinstellgrenze bei max. Abbildung liegt mit ca. 22cm (ca. 6,5cm von der Frontlinse) weit genug entfernt.


Fotografiert man dann die üblichen Verdächtigen, wie z.B. Schmetterlinge, die ca. 4cm gross sind, kann man aus einer Entfernung von ca. 30cm wunderbar störungsfrei arbeiten.


Sonstige Features

Da gibt es nicht allzu viel zu sagen. Das Objektiv ist wie bei PRO üblich vollständig abgedichtet und eine Sonnenblende ist dabei. Die L-Fn Taste lässt sich belegen, mit was immer man will und man kann den eingebauten Stabilisator per Schalter ein-/ausschalten. Den Arbeitsbereich kann man in drei Fokusbereichen begrenzen.

  • 0,25m - unendlich (Abbildung 1:1 bis 1:x)

  • 0,25m - 0,5m (Abbildung 1:1 bis 1:4)

  • S-Macro für 0,22m - 0,25m und Abbildung zwischen 1:1 und 2:1.

Für Fotografen ist dann eigentlich auch eher der Abstand von der Frontlinse zum Objekt wichtig und der liegt in der S-Macro Einstellung zwischen 6,5cm und 9,5cm. (ohne Sonnenblende), denn die ragt nochmal ca. 5cm vor.


Mit dem MC20 Konverter lässt sich der Abbildungs-Masstab noch verdoppeln, also auf 4:1 (8:1 bezogen auf Vollformat) mit einer Offenblende von F10. Das ist dann schon anspruchsvoll aber auch spannend, denn Gegenstände mit 4,5mm Breite sind dann schon bildfüllend!


Das System mit der OM-1

Das Objektiv alleine betrachtet ist aber nicht vollständig bewertbar. Man muss das System als Ganzes anschauen und da macht OM-SYSTEM schon echt einen guten Job, wie ich das bisher auch bei all den anderen Okjektiv-Kamera Kombinationen erlebt habe.


Kommen wir zum wichtigsten Feature für mobile Makro-Fotografie. Die Bildstabilisierung. Die ist beeindruckend. Man kann wirklich gut aus der Hand fotografieren und wenn man dann noch das zweite Feature, nämnlich Focus-Bracketing und/oder Focus-Stacking verwendet ist es möglich bei max. Abbildung die Motive "reinzuwackeln" und kriegt auch bei flüchtigen Objekten noch eine gute Ausbeute hin.


Und das ist der Hit. Wer kennt nicht die Problematik, dass in einer Sommerwiese mit langem Gras das verschieben des Stativs immer irgendwo Halme bewegt, dass die Insekten, die grad so schön sassen wieder abhauen... Das ist vorbei, denn ich kann ohne Stativ bei der Insektenfotografie ausreichend hohe Ausbeute generieren und sogar noch direkt in der Kamera die Tiefenschärfe erhöhen durch das Focus-Stacking.


Ich fotografiere deshalb meistens mit eingeschaltetem Stacking, denn dann hab ich im Silent Shutter Mode ruckzuck bis zu 15 Bilder mit unterschiedlichen Schärfenebenen und eins davon passt meist bei schwankendem Fotograf oder schwankenden Halmen etc. Und wenn die Tiere ein Bisschen ruhig sitzen, lässt sich das Stacking-Bild direkt verwenden, wie in diesem Beispiel mit dem Glasfrosch. Das ist grandios.

Panama, Glasfrosch - 1/160s, F5,6, ISO1000, Stacking 15 Bilder - Freihand

Oder ich arbeite mit Focus-Bracketing, mache 40-50 Bilder und setze mir dann in einer externen Software die Bilder zu einem Stack zusammen, die "reingewackelt" waren. Das klappt erstaunlich gut, wie bei dieser Raubfliege, die auf einem Weinblatt in meinem Garten sass. Arbeite ich im Bereich 1:1 oder drüber, stelle ich die Schrittweite für den Focus auf den Wert 3. Das muss man ausprobieren.

Gemeine Habichtsfliege (Raubfliege) - 1/1000s, F5.6, ISO1250 - Stack aus 35 Bildern / HeliconFocus - Freihand

Gretchenfrage: Bildqualität

Bei Macro-Objektiven gibt es bezüglich Bildqualität drei wichtige Kriterien meiner Ansicht nach. Das ist natürlich die Schärfe in der Fokusebene, dann der Schärfenverlauf (also das Bokeh) und für mich am wichtigsten der Farblängsfehler, denn der ist bei Macro-Objektiven üblicherweise deutlich zu sehen und lässt sich am Computer nicht korrigieren. Dieser Fehler verfärbt alles vor der Schärfenebene grünlich und nach der Schärfenebene ins Lila laufend.


Was mich wirklich überraschte ist, dass ich diesen Fehler, den ich eigentlich erwartet habe beim OM 90mm nicht sehe. Das ist ungewöhnlich und zeigt, dass OM-DS ihre optische Entwicklung wirklich meisterhaft beherrscht. Mich hat seit dem alten Sigma 105mm Macro dieser Fehler über locker 20 Jahre immer genervt. Beim Olympus 60er war er dann fast verschwunden und jetzt ist er ganz weg. Chapeau!


Anbei ein Bild eines der besten Macro-Objektive, das ich in der Vergangenheit zu meiner Vollformat-Zeit hatte. Das Canon EF 100mm F2.8L Macro IS USM. Da sieht man den Fehler bei max. Abbildung und hellen Flächen schon sehr deutlich.

Deutlich sichtbar: Farblängsfehler - Canon 7D MkII + EF 100mm F2.8L Macro IS USM; 1/2000s, F3.2; ISO100

Über Schärfe und Bokeh brauchen wir nicht sprechen. Die sind ausgezeichnet. Beurteilt selbst bei den Bildern.


Praxisbeispiele

Jetzt noch ein paar Beispiele für die Anwendung des neuen OM 90mm F3.5 auf meinen Test-Touren in Panama, Arizona, Sächsischer Schweiz, Allgäu und zuhause.


Scary Moments - Nachts im Regenwald von Panama

Ich war in die Tiefen des Chagras Nationalparks im Tieflandregenwald unterwegs, um dort Vögel zu fotografieren. Auf den Touren haben wir immer wieder Wohnhöhlen von Vogelspinnen gesehen und als wir dann nachts bei den Campesinos übernachteten, zeigten sie uns die Plätze, wo die Spinnen aktiv sind. Ich hatte echt keine Lust da dann noch lange mit dem Stativ rumzumachen, wenn ich nicht weiss wo die Tiere überall rumkrochen und wir nur im Lichtkegel der Stirnlampen sahen, was da alles so krabbelt. Da kam das Makro zum Einsatz mit Ringlicht, Stabilisierung und Focus-Stacking. Eine höchst mobile und schnelle Kombination und ideal für nächtliche Streiftouren in unbekanntem Terrain.

Bild 1: Rot-Schwarze Vogelspinne - 1/80s, F4.5, ISO3200, Stacking 15 Bilder

Bild 2: unbekannt - 1/160s, F4.5, ISO3200, Stacking 15 Bilder

Bild 3: typischer Tiefland-Regenwald im Chagras Nationalpark


Details am Strand

Ganz im Süden Panamas sind die Strände an der Pazifik-Küste wild, romantisch und einsam. Es ist wunderschön, hier frühmorgens oder abends zu fotografieren. Immer wieder eröffnen sich in der Brandungszone Möglichkeiten für Macro-Aufnahmen. Die Wellen sind unberechenbar, die Tide stark. Hier ist das Macro-Objektiv und die Kamera mit seiner absolut sicheren Versiegelung in der Brandungsgischt dem Salzwasser ausgesetzt. Ich brauche mir keine Gedanken machen und kann mich einfach und sehr mobil auf die Motive einlassen, wie z.B. die durchsichtige Krabbe im Gegenlicht oder der Wasserwurm, beides nicht grösser als ein Fingernagel.

Bild 1: Transparente Babykrabbe - 1/800s, F7.1, ISO500

Bild 2: Eine Art Wurm im seichten Wasser - 1/400s, F7.1, ISO500

Bild 3: Mündungsbereich Rio Orga in den Pazifik


Begegnungen in der Wüste Arizonas

In Arizona in der Sonora Wüste mit den berühmten Saguaro Kakteen ist es im April wunderschön und die Wüste blüht und ist voller Leben. Ich wusste, dass es dort Skorpione gibt, die Biolumineszenz zeigen, also nachts leuchten unter Schwarzlicht. Auch hier ist das Macro-Objektiv im Einsatz und ich muss in der Lage sein, schnell an verschiedenen Stellen Bilder zu machen, wenn die Tiere auftauchen. Hitze und Sand sind eine Herausforderung. Da ich auch hier keinerlei Stativ oder Einstellschlitten brauche, bin ich schnell genug zur Stelle und kann die Stacking-Funktion nutzen, um die Schärfe zu treffen, während der Skorpion eine kleine Grille jagt.

Bild 1: Skorpion-Stachel - 1/800s, F5.6, ISO1250

Bild 2: Skorpion in der Nacht mit erlegter Beute - 1/30s, F5.6, ISO1600, Schwarzlicht-Lampe

Bild 3: Saguaro's im Tonto National Forest

Bild 4: Skorpion auf einem Stein - 1/100s, F6.3, ISO1600


Sächsische Schweiz und Allgäu - Bergtouren

Zurück aus Amerika ging es dann auch gleich im Mai in die Sächsische Schweiz und im Juni ins Allgäu. Der Frühling in Deutschland ist auch voller Überraschungen und in Bergregionen ist viel Laufen, Steigen und Klettern angesagt, wenn man schöne Fotomöglichkeiten sucht. Da ist der Rucksack schnell eine Belastung, wenn man die gesamte Ausrüstung für Tierfotografie dabei hat. Umso besser, wenn das Macro wie ganz oben beschrieben nur 1Kg zusätzlich ausmacht. Und die Gelegenheiten waren dann auch spannend in den versteckten Ecken unter den Sandsteinfelsen in Sachsen oder den üppigen Bergwiesen voller Orchideen im Allgäu.


Durch die Focus-Stacking Funktion lassen sich die Pflanzen mit und ohne Tiefenschärfe in Szene setzen. Ein direkter Vergleich bei der grossen Sterndolde.

Bild Links: Einzelbild - 1/500s, F5.6, ISO800

Bild Rechts: 15 Bilder Focus-Stacking; 1/640s, F5.6, ISO800


In den Bergwiesen lassen sich überall schöne Motive finden und durch die flexible Handhabung des Macro-Systems kann das parallel zur Beobachtung der Umgebung passieren, wenn z.B. Wild zu sichten ist.

Bild 1: Alpen-Ringelspinner Raupen am Fellhorn-Kamm - 1/100s, F8, ISO400, 15 Bilder Focus-Stacking

Bild 2: Schweflige am Nesselblättrigen Ehrenpreis - 1/500s, F5.6, ISO800

Bild 3: Blütenstand des Nesselblättrigen Ehrenpreis - 1/500s, F5.6, ISO800

Bild 4: Kreuzspinne auf Knabenkraut Orchidee - 1/640s, F3.5, ISO800, 15 Bilder Focus-Stacking

Bild 5: Rehbock in einer Bergwiese - OM1 + 150-400 F4.5 IS PRO + TC1.25 @500mm; 1/1000s, F5.6, ISO1600

Bild 6: Kamm-Flockenblume - 1/400s, F3.5, ISO800, 15 Bilder Focus-Stacking


Mein Fazit

Die letzten fünf Monate haben mir nicht zuletzt wegen der interessanten Bilder mehr Appetit auf Macro-Fotografie gemacht als in der Vergangenheit. Die neue Linse hat was. Sie ist optisch ein Gedicht, robust, kompakt und durch den Bildstabilisator, der kombiniert mit der Stabilisation im Body dermassen gute Leistung erbringt (bis zu 7 Blendenstufen), dass es einfach Spass macht immer mal wieder das Objektiv an die Kamera zu packen und in die Wiesen zu sitzen oder irgendwelchem Kleingetier nachzuspüren.


Mich begeistert die Einfachheit und Mobilität.

Das ist der Grund, warum ich mich entschieden habe, dieses Objektiv zu kaufen und als "Immerdabei" mit in meinen Deuter-Fotorucksack zu packen. Da ist nun drin:

  • OM-1 + 12-100mm F4.0 IS PRO

  • M.ZUIKO 8-25mm F4.0 PRO

  • OM 90,, F3.5 Macro IS PRO

  • OM-1 + 150-400mm F4.5 TC 1.25 IS PRO

  • Ringlicht, Filter, Konverter, Kleinzeug, Wasser, Brotzeit

Damit bleibe ich immer noch unter 12 Kg in einem Bereich, der mich nicht reut alles mit auf den Gipfel eines Berges oder über viele Kilometer Dschungelpfade zu tragen.


Und übrigens: Ab 2024 biete ich mit DIAMIR eine Fotoreise nach Panama an. Vielleicht interessant? Hier der Link: Fotoreise Panama 2024


Andreas Geh

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